Bahnbrechende Forschungsergebnisse aus Schweden eröffnen möglicherweise neue Perspektiven in der Krebstherapie: Wissenschaftler des renommierten Karolinska Instituts in Solna haben einen überraschenden Zusammenhang zwischen Kälteexposition und Tumorwachstum entdeckt. Die im Fachjournal „Nature“ veröffentlichte Studie zeigt, dass niedrige Temperaturen das Tumorwachstum deutlich verlangsamen können.
Die überraschende Kraft der Kälte
Das Forscherteam um Takahiro Seki führte ihre Untersuchungen an Mäusen durch, die an verschiedenen Krebsarten litten, darunter Pankreas-, Brust- und kolorektaler Krebs. Die Ergebnisse waren bemerkenswert: Mäuse, die bei 4°C gehalten wurden, lebten durchschnittlich doppelt so lange wie ihre Artgenossen in einer 30°C warmen Umgebung. Doch was steckt hinter diesem erstaunlichen Effekt?
Der Schlüssel liegt im braunen Fettgewebe
Die Wissenschaftler konnten den Mechanismus hinter dieser Beobachtung entschlüsseln: Bei Kälteexposition wird das braune Fettgewebe aktiviert, was zu einer drastischen Senkung des Blutzuckerspiegels führt. Diese Reduktion der Glukose im Blut hat weitreichende Folgen für die Krebszellen, deren Stoffwechsel hauptsächlich auf Glykolyse basiert. Ohne ausreichend Glukose wird ihr Wachstum stark eingeschränkt.
Beweise durch gezielte Experimente
Um ihre Hypothese zu untermauern, führten die Forscher weitere Experimente durch:
- Die chirurgische Entfernung des braunen Fettgewebes führte zu verstärktem Tumorwachstum trotz Kälteexposition
- Eine erhöhte Glucosezufuhr hob den positiven Effekt der Kälte auf
- Das Ausschalten des Gens Ucp1, das für die Thermogenese wichtig ist, ließ die Tumoren wieder schneller wachsen
Erste vielversprechende Ergebnisse beim Menschen
In einer kleinen Pilotstudie untersuchte das Forscherteam die Übertragbarkeit ihrer Erkenntnisse auf den Menschen. Sechs gesunde Erwachsene und ein Krebspatient unter Chemotherapie nahmen an der Studie teil. Die gesunden Probanden hielten sich über zwei Wochen täglich bis zu sechs Stunden in kühlen Räumen bei etwa 16°C auf, nur mit Shorts und T-Shirt bekleidet. Mittels Positronen-Emissionstomografie (PET) konnte nachgewiesen werden, dass diese moderate Kälteexposition das braune Fettgewebe im Nacken, in der Brust und entlang der Wirbelsäule erheblich aktivierte.
Auch bei dem Krebspatienten zeigten sich positive Effekte unter milderen Bedingungen: Bei einer Raumtemperatur von 22°C war in den PET-Aufnahmen deutlich mehr aktiviertes braunes Fettgewebe und eine geringere Glucose-Aufnahme zu erkennen als bei 28°C – und das bereits nach einer Woche Aufenthalt in der kühleren Umgebung. So die Aussagen von Professor Dr. Yihai Cao in einer Pressemitteilung des Instituts.
Eisbaden als ergänzende KrebsTherapie-option
Die Forschungsergebnisse legen nahe, dass kontrolliertes Eisbaden als unterstützende Maßnahme in der Krebstherapie in Betracht gezogen werden könnte. Dabei ist jedoch ein vorsichtiger und strukturierter Ansatz unerlässlich:
Empfohlener Ansatz zur Kälteexposition
- Schrittweise Heranführung an niedrigere Temperaturen
- Beginn mit kurzen Expositionszeiten (1-2 Minuten) bei moderaten Temperaturen (etwa 16-20°C)
- Langsame Steigerung der Expositionsdauer und Absenkung der Temperatur
- Regelmäßigkeit ist wichtiger als Intensität
- Idealerweise 2-3 Sitzungen pro Woche
Praktische Durchführung
- Bevorzugt in kontrollierten Umgebungen wie speziellen Kältebecken oder therapeutischen Einrichtungen
- Atemtechniken und Entspannungsmethoden einsetzen
- Auf Körpersignale achten und bei Unwohlsein sofort abbrechen
- Nachruhezeit und sanfte Erwärmung einplanen
- Protokollierung von Dauer, Temperatur und Befinden
Integration in den Therapieplan
- Abstimmung mit anderen Therapiemaßnahmen
- Berücksichtigung von Behandlungszyklen bei Chemotherapie
- Flexible Anpassung je nach Verträglichkeit und Krankheitsverlauf
- Regelmäßige Evaluation der Wirksamkeit durch behandelnde Ärzte
Wichtiger Hinweis!
Es ist entscheidend zu betonen, dass Eisbaden keinesfalls als Ersatz für etablierte Krebstherapien verstanden werden darf. Es handelt sich um einen ergänzenden Ansatz, dessen Wirksamkeit noch in größeren klinischen Studien nachgewiesen werden muss. Die Durchführung sollte ausschließlich in Absprache mit dem medizinischen Behandlungsteam und unter fachkundiger Anleitung erfolgen.
Die vielversprechenden Forschungsergebnisse bieten einen interessanten Ansatzpunkt für die Entwicklung neuer unterstützender Therapiestrategien. Weitere Forschung wird zeigen, wie das Potenzial der Kälteexposition optimal in bestehende Behandlungskonzepte integriert werden kann.
QUELLEN
Cool room temperature inhibited cancer growth in mice auf eurekalert.org, abgerufen am 09.01.2025
Brown-fat-mediated tumour suppression by cold-altered global metabolism auf nature.com, abgerufen am 09.01.2025